navigate_before
navigate_next

Die Schulter ist ein hochbewegliches und komplexes Gelenk, das durch das Zusammenspiel mehrerer Knochen, Gelenke, Muskeln, Sehnen, Bänder und Schleimbeutel funktioniert. Zu den Knochen der Schulter gehören das Schulterblatt (Scapula), der Oberarmknochen (Humerus) und das Schlüsselbein (Clavicula). Sie ermöglichen Bewegungen und Stabilität im Schulterbereich.

Hauptgelenke der Schulter

Die Schulter besteht aus drei wesentlichen Gelenken:

  • Glenohumeralgelenk (Schultergelenk): Dieses Kugelgelenk verbindet den Kopf des Oberarmknochens mit der Gelenkpfanne des Schulterblatts und bietet eine große Bewegungsfreiheit.
  • Akromioklavikulargelenk (AC-Gelenk): Verbindet das Schlüsselbein mit dem Akromion (Vorsprung des Schulterblatts) und stabilisiert die Schulter.
  • Sternoklavikulargelenk (SC-Gelenk): Verbindet das Schlüsselbein mit dem Brustbein und ermöglicht Bewegung des Schultergürtels.

Muskeln und Sehnen der Schulter

Eine zentrale Rolle spielt die Rotatorenmanschette, eine Gruppe von vier Muskeln (Supraspinatus, Infraspinatus, Teres minor und Subscapularis), die das Schultergelenk stabilisiert. Der Deltamuskel gibt der Schulter ihre Form und hebt den Arm, während die Bizepssehne für Flexion und Supination sorgt.

Bänder, Kapsel und Schleimbeutel

  • Gelenkkapsel: Umschließt das Schultergelenk und enthält Gelenkflüssigkeit, die die Beweglichkeit unterstützt.
  • Schleimbeutel (Bursa): Sitzt unter dem Schulterdach und verringert die Reibung zwischen Sehnen und Knochen.

Das Zusammenspiel dieser Strukturen ermöglicht Bewegungen wie Heben, Drehen und Kreisen des Arms und macht die Schulter zum beweglichsten Gelenk des Körpers – aber auch anfällig für Verletzungen.

Impingement-Syndrom

Das Impingement-Syndrom gilt als eine der häufigsten Ursachen für Schulterschmerzen. Es wird diagnostiziert, wenn Strukturen wie Sehnen und Schleimbeutel im Schultergelenk durch eine „Enge“ zwischen Schulterdach und Oberarmkopf in Mitleidenschaft gezogen werden. Diese wird Diagnose oft vorschnell gestellt und dann konventionell behandelt, ohne die möglichen Ursachen und Alternativen zu durchdenken.

1. Was ist das Impingement-Syndrom – und ist die Theorie der „Enge“ ausreichend?

Die gängige Theorie beim Impingement-Syndrom lautet: Strukturen im Schultergelenk sind „eingeklemmt“ und werden durch den mechanischen Druck beschädigt. Doch wird zunehmend hinterfragt, ob diese Erklärung ausreichend ist, da „Enge“ im Schultergelenk anatomisch sehr individuell ist und nicht unbedingt Schmerzen verursacht.

Einige Experten argumentieren, dass der Schmerz oft eher auf Entzündungen oder muskuläre Ungleichgewichte zurückzuführen ist, statt allein auf die räumliche Enge im Gelenk. Andere Studien legen nahe, dass die Schmerzursache komplexer ist und dass auch psychosoziale Faktoren eine bedeutende Rolle spielen können.

2. Ursachen des Impingement-Syndroms

a) Anatomische Enge – ist sie wirklich der Hauptverursacher?

Anatomische Unterschiede, wie ein gebogenes Schulterdach, werden oft als Ursache genannt. Studien zeigen jedoch, dass diese natürlichen Abweichungen häufig auch bei schmerzfreien Menschen auftreten. Die These, dass „knöcherne Enge“ die Ursache für das Impingement-Syndrom ist, greift möglicherweise zu kurz. Stattdessen könnte die Überbetonung der anatomischen Enge Patienten in unnötige Operationen führen.

b) Überbelastung und wiederholte Bewegungen – Ursache oder Effekt?

Wiederholte Überkopfarbeiten werden häufig als Grund für das Impingement-Syndrom genannt. Allerdings stellt sich die Frage, ob nicht die individuelle Körpermechanik oder Haltung den größeren Einfluss haben. Chronische Belastung könnte also eher ein Symptom schlechter Mechanik als eine Ursache sein.

c) Psychosoziale Faktoren

Studien zeigen, dass psychosoziale Faktoren wie Stress, berufliche Unzufriedenheit oder eine generell niedrige Schmerztoleranz eine Rolle bei der Entstehung chronischer Schmerzen spielen können. Die Bedeutung dieser Faktoren wird in der Standarddiagnose und -behandlung des Impingement-Syndroms oft übersehen.

3. Symptome des Impingement-Syndroms

Die Symptome des Impingement-Syndroms, wie Schmerzen beim Anheben des Arms, Bewegungseinschränkungen und Nachtschmerzen, werden oft direkt mit mechanischen Problemen assoziiert. Doch Forscher weisen darauf hin, dass diese Symptome auch auf andere Ursachen hinweisen können, wie muskuläre Ungleichgewichte, Verspannungen oder sogar Überempfindlichkeiten des Nervensystems.

4. Diagnostik des Impingement-Syndroms

Die Diagnostik des Impingement-Syndroms ist häufig uneindeutig und basiert oft auf subjektiven Schmerzangaben und Standardtests. Diese Tests wie der Neer- oder Hawkins-Test sind jedoch oft nicht aussagekräftig genug, da sie bei unterschiedlichen Patienten unterschiedliche Ergebnisse liefern. Studien haben gezeigt, dass positive Testergebnisse oft auch bei asymptomatischen Personen auftreten. Bildgebende Verfahren wie Ultraschall und MRT können zudem Veränderungen zeigen, die möglicherweise nicht für die Schmerzen verantwortlich sind.

5. Konventionelle Behandlungsmöglichkeiten für das Impingement-Syndrom

a) Konservative Therapie

Die konservative Therapie wird oft als erste Option genannt und umfasst Schmerzmittel und Kortisoninjektionen.

Schmerzmittel und Kortisoninjektionen sind umstritten, da sie zwar kurzfristige Linderung verschaffen, langfristig aber keine Lösung bieten und die Ursachen nicht beheben. Kortisoninjektionen beispielsweise können die Gewebestrukturen langfristig schwächen und zu wiederkehrenden Problemen führen.

b) Operation: Subacromiale Dekompression

Die subacromiale Dekompression, bei der Teile des Schulterdachs abgetragen werden, um mehr Raum zu schaffen, ist eine häufige Behandlungsmethode bei Impingement-Syndromen.

Die Risiken dieser Operation (wie z. B. Infektionen und Gewebeschäden) und die langen Erholungszeiten machen es umso wichtiger, eine Operation nur bei echten Notwendigkeiten durchzuführen. Wenn die Ursache des Impingement-Syndroms z. B. in muskulären Dysbalancen liegt, behebt die Operation das zugrunde liegende Problem nicht. Stattdessen wird nur an der Struktur gearbeitet, was den Schmerz oft nicht nachhaltig lindert.

6. Ganzheitliche Physiotherapie beim Impingement-Syndrom

Eine ganzheitliche Physiotherapie beim Impingement-Syndrom zielt darauf ab, nicht nur die Symptome zu lindern, sondern auch die tieferliegenden Ursachen anzugehen. Das Impingement-Syndrom entsteht häufig durch muskuläre Dysbalancen, Haltungsprobleme und Überlastung, weshalb ein ganzheitlicher Ansatz ideal ist. Hierbei werden verschiedene Therapiebereiche kombiniert, um langfristige Verbesserungen zu erzielen.

  1. Haltungsanalyse und -korrektur
    • Oft spielt eine schlechte Körperhaltung, insbesondere eine Rundrücken- oder Vorwärtskopfhaltung, eine wesentliche Rolle beim Impingement-Syndrom. Diese Haltungen engen den Raum im Schultergelenk ein und belasten die Sehnen.
    • Die Physiotherapie beginnt daher häufig mit einer Analyse und Korrektur der Haltung. Ziel ist es, die natürliche Aufrichtung und Beweglichkeit des Schultergürtels wiederherzustellen.
  2. Stärkung der Rotatorenmanschette
    • Die Rotatorenmanschette stabilisiert das Schultergelenk und hält den Oberarmkopf in der Gelenkpfanne. Durch gezielte Kräftigungsübungen wird die Muskulatur der Rotatorenmanschette gestärkt, was die Stabilität verbessert und die Belastung reduziert.
    • Übungen wie z. B. das Außen- und Innenrotieren des Arms mit einem Fitnessband, leichten Hanteln oder in einem Bewegungsbad helfen, die Muskulatur der Rotatorenmanschette zu aktivieren.
  3. Mobilisation des Schultergelenks und des Schulterblatts
    • Einschränkungen in der Beweglichkeit des Schulterblatts (Scapula) und des Schultergelenks führen oft zu einer ungünstigen Belastung der Sehnen. Durch Mobilisationstechniken kann die Beweglichkeit verbessert werden.
    • Die Mobilisation umfasst sanfte Dehnungen und manuelle Techniken, die Blockaden und Verkürzungen lösen. Dies schafft Raum im Gelenk und verbessert die Bewegungsfreiheit.
  4. Dehnung verkürzter Strukturen
    • Häufig sind die Brustmuskulatur und die vorderen Anteile des Schultergürtels verkürzt, was die Schultern nach vorne zieht und die Enge im Schultergelenk verstärkt.
    • Zielgerichtete Dehnübungen für die Brustmuskeln, den Bizeps und die vordere Schulter entlasten das Gelenk und ermöglichen eine bessere Aufrichtung. Das kann durch passive Dehnungen und gezielte Faszienarbeit erreicht werden.
  5. Kräftigung der Schulterblattstabilisatoren
    • Die Schulterblattstabilisatoren (z. B. der Serratus anterior und der Trapezmuskel) unterstützen die Bewegung und Stabilität des Schultergürtels. Eine Schwäche in diesen Muskeln führt häufig zu ungesunden Kompensationsmustern.
    • Durch gezielte Kräftigungsübungen, wie dem Schulterblatt-Zusammenziehen (Scapula Retraction) oder Übungen am Kabelzug, wird die Stabilität im Schultergürtel verbessert und die Belastung gleichmäßiger verteilt.
  6. Übungen zur Körperwahrnehmung (Propriozeption)
    • Propriozeptive Übungen verbessern das Körperbewusstsein und die Kontrolle über das Schultergelenk. Dies hilft, Fehlbelastungen frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.
    • Übungen auf instabilen Untergründen, wie einem Balancepad, sowie der gezielte Einsatz von leichten Gewichten fördern die Koordination und das Feingefühl der Schulter.
  7. Atemtechniken und Stressbewältigung
    • Stress und eine eingeschränkte Atmung (oft flach und nur in die obere Brust) können zu einer erhöhten Spannung im Nacken- und Schulterbereich führen. Durch Atemübungen und Techniken zur Entspannung wird der Schultergürtel entlastet.
    • Atemübungen wie die Bauchatmung oder Atemübungen aus dem Yoga (z. B. die Wechselatmung) helfen, die Muskulatur zu entspannen und die Schulterhaltung positiv zu beeinflussen.

6. Ergänzende Therapie und präventive Ansätze

Neben der ganzheitlichen Physiotherapie gibt es ergänzende Methoden zur Prävention und Behandlung:

  • Schmerzpsychotherapie: Die Schmerzpsychotherapie ist ein Ansatz, der darauf abzielt, chronische Schmerzen durch die Veränderung der mentalen und emotionalen Einstellung zu lindern. Sie hilft Betroffenen, ihren Schmerz zu verstehen und besser zu bewältigen, indem Techniken wie kognitive Verhaltenstherapie, Achtsamkeit und Entspannung eingesetzt werden. Ziel ist es, den Teufelskreis aus Schmerz, Stress und negativen Gedanken zu durchbrechen, um die Lebensqualität trotz Schmerzen zu verbessern.
  • Selbstmanagement und Bewegungstherapie: Techniken wie Yoga, Pilates und Feldenkrais fördern eine bessere Körperwahrnehmung und ermöglichen es Patienten, selbst Einfluss auf ihre Bewegungsmuster und Schmerzempfindlichkeit zu nehmen.
  • Heilpraktiker: Ein Heilpraktiker kann beim Impingement-Syndrom mit Akupunktur und Akupressur Schmerzen lindern und den Energiefluss fördern. Zudem kann er pflanzliche Mittel gegen Entzündungen empfehlen und durch Ernährungsberatung mit einer entzündungshemmenden Ernährung unterstützen. Methoden wie Eigenbluttherapie oder Blutegeltherapie können ebenfalls zur Schmerzlinderung und der Verbesserung des Allgemeinzustandes beitragen.

Nehmen Sie sich Zemichael Zeit

Wenn Sie sich im Blog über das Impingement-Syndrom informiert haben und die beschriebenen Symptome bei sich erkennen oder bereits diagnostiziert wurden, kann eine persönliche physiotherapeutische Behandlung entscheidend sein, um gezielt und individuell an den Ursachen zu arbeiten. In meiner Praxis legen wir großen Wert auf eine ganzheitliche Therapie, die nicht nur die Symptome lindert, sondern langfristige Verbesserungen schafft. Gemeinsam erarbeiten wir einen maßgeschneiderten Behandlungsplan, der muskuläre Dysbalancen ausgleicht, die Beweglichkeit verbessert und Ihre Schulterschmerzen nachhaltig reduziert.

Ich lade Sie herzlich ein, einen Termin zu vereinbaren, damit wir in einer ausführlichen Beratung und ersten Diagnostik Ihre Bedürfnisse und Ziele besprechen können.

Böhle, U., & Schüller, S. (2018): Physiotherapie in der Orthopädie.

Burkhart, S. S., Morgan, C. D., & Kibler, W. B. (2003): The disabled throwing shoulder: Spectrum of pathology. Part III: The SICK scapula, scapular dyskinesis, the kinetic chain, and rehabilitation in Arthroscopy: The Journal of Arthroscopic & Related Surgery.

Hoppe, S. (2014): Schulterimpingement: Diagnostik und konservative Behandlungsmöglichkeiten.

Shah, A. A., Butler, R. B., & Romeo, A. A. (2012): Rotator cuff and impingement syndrome in Journal of Orthopaedic & Sports Physical Therapy.

Manual of Acupuncture von Maciocia, G. (2007).

Hirudotherapy – The Efficacy of Leech Therapy von Michalsen, A., & Roth, M. (2010).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert