Die Skoliose ist eine komplexe Erkrankung der Wirbelsäule, die durch eine seitliche Verkrümmung und Verdrehung der Wirbelkörper gekennzeichnet ist. Die Krümmung kann in einer C- oder S-Form auftreten. Dabei ist die Wirbelsäule nicht nur seitlich verkrümmt, sondern oft auch um ihre Längsachse verdreht, was zu einer dreidimensionalen Veränderung führt. Die Krümmung kann unterschiedlich stark sein und verschiedene Bereiche der Wirbelsäule betreffen, typischerweise die Brust- oder Lendenwirbelsäule.
Einige wichtige Aspekte der Skoliose:
- Idiopathische Skoliose: Diese Form tritt ohne erkennbare Ursache auf und betrifft oft Kinder und Jugendliche während der Wachstumsphase. Sie ist die häufigste Form der Skoliose.
- Neuromuskuläre Skoliose: Diese entsteht aufgrund von Erkrankungen, die die Muskeln oder Nerven betreffen, wie Zerebralparese oder Muskeldystrophie.
- Kongenitale Skoliose: Diese Form entsteht durch angeborene Fehlbildungen der Wirbel.
- Degenerative Skoliose: Diese betrifft ältere Menschen und entsteht durch altersbedingte Veränderungen der Wirbelsäule wie Bandscheibenschäden oder Arthrose.
Die Skoliose und ihre biomechanischen Auswirkungen:
Die Krümmung führt zu einer Asymmetrie der Körperhaltung und einer ungleichmäßigen Belastung der Muskeln, Gelenke und Bandscheiben. Dies hat langfristige Folgen für den Bewegungsapparat, die Organe und das allgemeine Wohlbefinden.
Die unaufhaltsame Kettenreaktion
- Einseitige Belastung:
Bei der Skoliose wird der Körper gezwungen, eine unnatürliche Haltung einzunehmen, was zu einer asymmetrischen Belastung der Muskeln führt. Die Muskulatur auf der konkaven (innenliegenden) Seite der Krümmung wird stärker beansprucht, da sie versucht, die Wirbelsäule zu stabilisieren, während die Muskulatur auf der konvexen Seite weniger belastet wird. - Einseitig mehr Muskulatur:
Die stärker belastete Seite entwickelt im Laufe der Zeit mehr Muskulatur. Dies geschieht, weil die Muskeln versuchen, die Krümmung zu kompensieren und die Wirbelsäule aufrecht zu halten. Es entsteht ein muskuläres Ungleichgewicht. - Einseitig mehr Kraft:
Die Muskulatur auf der stärker beanspruchten Seite wird kräftiger. Diese Asymmetrie kann das gesamte Muskel-Skelett-System beeinträchtigen, da die Kräfte ungleichmäßig verteilt werden. Die einseitige Kräftigung beeinflusst die Statik des Körpers und verstärkt das Ungleichgewicht. - Einseitig mehr Abrieb:
Durch die einseitige Kraftentwicklung kommt es zu einer ungleichmäßigen Belastung der Gelenke und der Wirbelsäule. Die Gelenke auf der stärker belasteten Seite nutzen sich schneller ab, was zu einem vorzeitigen Verschleiß führt. - Mehr Verspannungen und Blockaden:
Durch die ständige Überbelastung der Muskulatur auf einer Seite entstehen chronische Muskelverspannungen. Diese Verspannungen führen zu einer eingeschränkten Beweglichkeit, Schmerzen und Blockaden. - Einseitig mehr Erschöpfung und unterschiedliches Bewegungsausmaß:
Die kontinuierliche Mehrbelastung führt zu einer schnelleren Ermüdung der Muskulatur auf der betroffenen Seite. Dadurch ist die Bewegungsfreiheit eingeschränkt, und es kommt zu einer verminderten Koordination und Kraftentwicklung. - Erhöhtes Verletzungsrisiko:
Die einseitige Belastung und das muskuläre Ungleichgewicht führen dazu, dass die Gelenke und Muskeln anfälliger für Verletzungen sind. Überbeanspruchungen, Sehnenentzündungen und Gelenkschäden treten häufiger auf. - Einseitige Abnutzung der Schuhe:
Durch die einseitige Belastung nutzen sich die Schuhe auf der stärker beanspruchten Seite deutlich schneller ab. Dies betrifft vor allem die Schuhsohlen, insbesondere an den Fersen oder an den Außenseiten. Abgenutzte Schuhe verstärken das Ungleichgewicht zusätzlich, da sie die Fußstellung weiter verändern. Dies kann langfristig zu Fußproblemen wie Plantarfasziitis, Achillessehnenentzündungen oder Fehlstellungen wie Knick-Senk-Füßen führen.
Unterschiedliche Schrittlänge und veränderte Lauftöne
- Kürzere Schrittlänge auf der einen Seite: Das Bein auf der Seite der Krümmung (konkave Seite) wird durch die Veränderung des Beckens oft kürzer belastet. Der Schritt auf dieser Seite ist in der Regel kürzer, da der Körper versucht, die Balance zu halten.
- Längere Schrittlänge auf der anderen Seite: Auf der gegenüberliegenden (konvexen) Seite ist die Schrittlänge oft länger, weil das Becken auf dieser Seite höher steht. Dies führt zu einem asymmetrischen Gangbild, bei dem das Gewicht ungleichmäßig verteilt wird.
Diese ungleiche Schrittlänge führt zu einer ineffizienten Fortbewegung, die mehr Energie erfordert und den Körper zusätzlich belastet. Durch die asymmetrische Schrittlänge und die veränderte Belastung des Körpers beim Gehen oder Laufen ergeben sich auch unterschiedliche Lauftöne. Diese Unterschiede resultieren aus der Art und Weise, wie die Füße den Boden berühren:
- Auf einer Seite lauteres Auftreten: Auf der stärker belasteten Seite, oft die Seite mit dem kürzeren Schritt, tritt der Fuß mit mehr Druck auf. Dies führt zu einem lauter wahrnehmbaren Schritt. Die Ferse auf dieser Seite wird stärker belastet, was zu einem härteren Aufprall führt.
- Leiseres Auftreten auf der anderen Seite: Auf der gegenüberliegenden Seite, wo die Schrittlänge größer ist, wird der Fuß oft sanfter aufgesetzt. Das geringere Gewicht und der verlängerte Schritt reduzieren den Aufprall, was zu leiseren Tönen beim Gehen führt.
Die unterschiedlichen Lauftöne sind ein Zeichen für das Ungleichgewicht und die Fehlbelastung des Körpers. Sie sind nicht nur ein akustisches Phänomen, sondern zeigen, dass der Körper nicht symmetrisch arbeitet.
- Gangunsicherheit und erhöhtes Sturzrisiko: Die ungleichmäßige Schrittlänge und die veränderten Lauftöne deuten oft auf eine instabile Gangart hin, die das Risiko von Stürzen oder Verletzungen erhöht.
Die möglichen Symptome einer Skoliose
1. Kopfschmerzen und Migräne:
Die Fehlstellung der Wirbelsäule, insbesondere im Halswirbelbereich, führt zu einer Überbelastung der Nackenmuskulatur. Diese Verspannungen können die Blutzirkulation und Nervenleitung beeinträchtigen, was zu Spannungskopfschmerzen und Migräne führen kann. Besonders die Kompression von Nerven oder Blutgefäßen im Nackenbereich verursacht diese Symptome.
2. Schwindel:
Skoliose beeinflusst oft den Nackenbereich, was den Gleichgewichtssinn stören kann. Durch Muskelverspannungen und Druck auf Nerven oder Gefäße im Halswirbelbereich können Schwindelanfälle auftreten. Diese treten besonders bei Kopfbewegungen oder Lagewechseln auf.
3. Sehprobleme:
Muskelverspannungen im Nacken können den Sehnerv beeinflussen oder zu einer Beeinträchtigung der Augenmuskeln führen. Dies kann zu Sehstörungen wie unscharfem Sehen oder einem eingeschränkten Gesichtsfeld führen.
4. Tinnitus:
Eine Fehlstellung im Halswirbelbereich kann die Blutversorgung des Innenohrs beeinträchtigen, was zu Ohrgeräuschen (Tinnitus) führt. Auch Muskelverspannungen im Nacken können auf die Nervenbahnen einwirken und zu Ohrgeräuschen beitragen.
5. Kieferprobleme (CMD):
Eine Fehlstellung der Wirbelsäule kann sich auf den Kiefer auswirken, da die Muskelketten miteinander verbunden sind. Dies kann zu einer Fehlstellung des Kiefergelenks (CMD), Kieferknacken und Schmerzen beim Kauen führen. Darüber hinaus kann es zu einem einseitigen Abrieb der Zähne kommen, da die Fehlstellung des Kiefergelenks eine ungleichmäßige Belastung beim Kauen verursacht. Diese ungleichmäßige Belastung führt dazu, dass bestimmte Zähne stärker beansprucht und abgenutzt werden, was langfristig Zahnprobleme und Veränderungen im Biss nach sich ziehen kann. Die Veränderung des Gebisses haben einen weitreichenden Einfluss auf die Organe und den gesamten Körper. Dies liegt vor allem daran, dass Zähne und Kiefer eng mit dem Nervensystem, dem Muskel-Skelett-System und dem Verdauungssystem verbunden sind.
6. Auswirkungen auf Herz und Lunge:
Bei starker Skoliose wird der Brustkorb deformiert, was zu einer Beeinträchtigung der Herz- und Lungenfunktion führen kann. Das Herz wird eingeengt, was seine Pumpleistung beeinträchtigt, und die Lunge hat weniger Platz, um sich vollständig zu entfalten, was die Atemkapazität reduziert.
7. Atembeschwerden:
Durch die Verkrümmung der Wirbelsäule und die Verformung des Brustkorbs haben die Lungen weniger Raum zur Ausdehnung. Dies führt zu Kurzatmigkeit und verminderter Lungenkapazität.
8. Unruhe im Körper bis hin zu Schlafstörungen:
Die ständige muskuläre Anspannung und die chronischen Schmerzen, die durch die Fehlstellung verursacht werden, können zu innerer Unruhe und Nervosität führen. Der Körper befindet sich ständig im Stressmodus, um die Balance aufrechtzuerhalten.
Die ständige Belastung bestimmter Muskelgruppen und Gelenke durch die unnatürliche Krümmung der Wirbelsäule führt oft zu chronischen Schmerzen. Diese Schmerzen können nachts stärker empfunden werden, da der Körper in Ruhe ist und keine anderen Aktivitäten den Schmerz überdecken. Besonders in bestimmten Liegepositionen können Betroffene Schwierigkeiten haben, eine schmerzfreie Haltung zu finden.
9. Verdauungsprobleme:
Eine stark verkrümmte Wirbelsäule kann Druck auf den Magen-Darm-Trakt ausüben und dessen Funktion beeinträchtigen. Dies kann zu Problemen wie Verstopfung, Blähungen und allgemeiner Verdauungsschwäche führen.
10. Sodbrennen:
Eine Skoliose, besonders wenn sie stark ausgeprägt ist und die Brustwirbelsäule betrifft, kann den Brustkorb verformen und Druck auf den Magen sowie andere Verdauungsorgane ausüben. Diese Verformung und die unnatürliche Position des Brustkorbs verschieben und komprimieren die Bauchorgane, darunter auch den Magen und den unteren Ösophagussphinkter (LES), den Schließmuskel zwischen Speiseröhre und Magen.
11. Bandscheibenvorwölbung/ Bandscheibenvorfall:
Durch die ungleichmäßige Belastung der Wirbelsäule werden die Bandscheiben auf einer Seite stärker komprimiert. Dies kann zu einer Vorwölbung oder sogar einem Vorfall der Bandscheibe führen, bei dem das Bandscheibenmaterial auf die umliegenden Nerven drückt.
12. Schonhaltung:
Um Schmerzen zu vermeiden, nimmt der Körper oft eine Schonhaltung ein. Diese Haltung führt jedoch zu einer zusätzlichen Fehlbelastung anderer Gelenke und Muskeln, was die Skoliose-Symptome weiter verschlimmern kann.
13. Ausstrahlende Schmerzen in Armen und Beinen:
Die Verkrümmung der Wirbelsäule kann zu einer Kompression der Nervenwurzeln führen, was Schmerzen, Kribbeln oder Taubheitsgefühle in Armen und Beinen verursacht.
14. Gelenkerkrankungen:
Die ungleichmäßige Belastung der Wirbelsäule und Gelenke führt zu einem vorzeitigen Verschleiß der Gelenke. Dies kann Gelenkerkrankungen wie Arthrose (degenerative Gelenkerkrankung) und Arthritis (entzündliche Gelenkerkrankung) begünstigen.
15. Ischias:
Die Nervenwurzeln des Ischiasnervs können durch die veränderte Wirbelsäulenstatik gereizt werden. Dies führt zu Schmerzen, die vom unteren Rücken über das Gesäß bis in die Beine ausstrahlen.
16. Beckenschiefstand:
Durch die Krümmung der Wirbelsäule kommt es häufig zu einer Kippung des Beckens. Dies verstärkt die Asymmetrie im Körper und kann weitere muskuläre und gelenkbedingte Probleme verursachen.
17. Beinlängendifferenz:
Ein Beckenschiefstand kann dazu führen, dass die Beine scheinbar unterschiedlich lang sind. Dies verstärkt die Fehlbelastung und führt zu einem ungleichmäßigen Gangbild.
18. Knieprobleme:
Durch die asymmetrische Belastung der unteren Extremitäten kommt es häufig zu Fehlstellungen und vorzeitiger Abnutzung der Kniegelenke, was Schmerzen und Arthrose im Knie begünstigen kann.
19. Fußprobleme:
Eine Skoliose kann auch zu Fehlbelastungen der Füße führen, z. B. zu Plattfüßen oder Fußschmerzen, da der Körper versucht, die Haltung auszugleichen.
20. Auswirkungen auf die körperlichen Systeme:
Die ständige Fehlbelastung der Muskulatur und des Skeletts wirkt sich auch auf das Herz-Kreislauf-System, das Lymphsystem und das Nervensystem aus. Es kann zu Durchblutungsstörungen, Energiemangel und Nervenkompressionen kommen, die den gesamten Körper betreffen.
Fazit
Skoliose ist nicht nur eine Fehlstellung der Wirbelsäule, sondern kann den gesamten Körper beeinflussen. Die daraus resultierenden Symptome können vielfältig und komplex sein, da die Wirbelsäule als zentrale Stütze des Körpers viele Systeme beeinflusst. Eine frühzeitige Behandlung ist daher entscheidend, um Langzeitfolgen zu minimieren.
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